"Die norwegischen Stabkirchen sind einzigartig -

... auf der ganzen Welt gibt es nichts Vergleichbares. Niemand betritt eine norwegische Stabkirche, ohne von einer feierlichen Stimmung ergriffen zu werden." Diese Worte von Thomas Thiis-Evensen mögen übertrieben scheinen, sind es aber nicht (ich würde allerdings nicht das Attribut "feierlich" benutzen). In den 800 bis 900 Jahre alten Bauten glaubt man auch heute noch den Geist der zum Christentum bekehrten Wikinger zu spüren, der Fischer, Seefahrer und Schiffsbauer, der Krieger und der Bauern des Mittelalters. Stabkirchen sind Zeugnisse sowohl der Christianisierung Skandinaviens als auch der ausgereiften Holzbaukunst im mittelalterlichen Norwegen. Ursprünglich wurden sie völlig aus Holz und ohne starre Verbindungen durch Nägel, Leim o.ä. errichtet. Ein Geviert aufrecht stehender Masten als Pfeiler bilden die Grundkonstruktion. Von diesen Masten oder "Stäben", die den eigentlichen Innenraum umschließen, leitet sich wohl auch der Name ab. Um das tragende Stab-Gerüst führen Umgänge und oft auch noch an der Außenseite offene Laubengänge, die die Masten zusätzlich abstützen. Durch diese Bauweise ergibt sich die typische Folge übereinander gestufter Dächer, steil und mit Holzschindeln gedeckt. Die Innenräume sind offen bis in den Dachstuhl hinein, die vorherrschenden vertikalen Linien führen Blick und Gedanken nach oben wie in der etwa gleichzeitig von Frankreich ausgehenden Gotik. Im Gegensatz dazu allerdings bleiben hier die Dimensionen des Kirchenraumes menschlich angemessen. Stabkirchen sind nur spärlich geschmückt und haben oft keine Fenster. Sie beziehen ihre Wirkung hauptsächlich aus der Konstruktion und dem Material. Die meist geschnitzten Verzierungen und Ornamente orientieren sich deutlich an der Formensprache der Wikinger, wie sie sich v.a. im Schiffsbau zeigte, ihre Symbolik stammt oft noch aus der vorchristlichen nordeuropäischen Sagenwelt.

Stabkirche Borgund

Es wird geschätzt, daß es einmal bis zu 900 Stabkirchen gab, erhalten sind davon allerdings nur noch 29 im südlichen Norwegen (siehe Karte unten). Als Kuriosum sei eine Stabkirche in Bierutowice/Polen am Fuße des Riesengebirges erwähnt, die ursprünglich in Vang, nordwestlich von Fagernes stand. Besonders sehenswert sind wohl die Kirche von Urnes an einem Seitenarm des Sognefjordes, die als älteste und als die "Königin der Stabkirchen" gilt, und - leichter erreichbar - die Kirche von Borgund, möglicherweise die schönste und in ihrem ursprünglichen Zustand am besten erhaltene Stabkirche. Man sollte sich auch nicht durch das zu zahlende Eintrittsgeld abhalten lassen - lohnend ist ein Besuch in jedem Fall. Die besondere Atmosphäre, das Halbdunkel, die Stille, der Geruch nach Holz und Teer - eine Stabkirche bleibt lange im Gedächtnis haften.


Die noch erhaltenen 29 Stabkirchen in Norwegen:

1 Borgund
2 Urnes
3 Kaupanger
4 Hopperstad
5 Undredal
6 Roeldal
7 Heddal
8 Eidsborg
9 Rollag
10 Flesberg
11 Nore
12 Uvdal
13 Hedalen
14 Lomen
15 Hoere
16 Oeye
17 Hegge
18 Reinli
19 Torpo
20 Gol
21 Hoeyjord
22 Roedven
23 Kvernes
24 Grip
25 Holtalen
26 Garmo
27 Vaga
28 Ringebu
29 Lom