Für ganz Eilige


Nachrichten von Herrn Brösemeier


Herr Brösemeier sah zur Uhr. Noch zwanzig Minuten bis Buffalo. Herr Brösemeier stellte sich vor, er wäre tatsächlich in zwanzig Minuten in Buffalo. Leider saß er aber nur in einem kleinen schäbigen Büro in einem alten, lichtlosen und genauso schäbigen Hinterhaus an einem fast leeren, abgewetzten Schreibtisch. Er hatte nichts zu tun und wartete auf den Feierabend wie schon den ganzen Tag, wie alle Tage, seit er hier beschäftigt war. Wirkliche Arbeit war für ihn eine kostbare Rarität geworden. Nicht zum Aushalten - aber Herr Brösemeier war träge und hatte außerdem eine dunkle Vergangenheit. Doch das gehört nicht hierher.
Manchmal rauchte Herr Brösemeier ein Pfeifchen, aber jetzt war die noch abzusitzende Zeit dafür zu kurz. Er beneidete die kleinen Vögel, die unbekümmert den Baum im Hinterhof nach schmackhaften Insekten absuchten und dabei vor sich hin pfiffen.
Das Telefon klingelte. Herr Brösemeier schrak aus seinem Halbschlaf auf. War da was? Tatsächlich, da war etwas: Das Telefon klingelte. Seine Haltung straffte sich, in seine Äuglein trat ein unternehmerischer Glanz, er streckte den Arm aus, hob den Hörer an sein Ohr und meldete sich fast vorschriftsmäßig: "Amt für Verhinderungen, Brösemeier, schönen guten Tag." Eigentlich sollte es Herr Brösemeier bei "Guten Tag" bewenden lassen, laut Vorschrift, aber er leistete sich diese kleine Verzierung zu "Schönen guten Tag", es gab ihm ein Gefühl der Souveränität, etwas Gelassen-weltmännisches. Eine Feder, in derem Schmuck er sich sehr gefiel, wenn sie ihm auch im Grunde fremd war. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, der Telefonanruf.
Was meinen Sie, lieber Leser, wie soll es weitergehen mit diesem gelangweilten und doch völlig uninteressanten Herrn Brösemeierchen? Es gibt so viele Möglichkeiten - dieser ständige Zwang zur Entscheidung ist ein Graus. Würden wir die Geschichte einfach ihren Lauf nehmen lassen, wäre sie wahrscheinlich allzuschnell zu Ende - wenn Sie, lieber Leser, nicht vor lauter Langeweile schon vorher eingeschlafen wären. Es könnte z.B. Frau Brösemeier sein, die ihr Bübchen wecken wollte, damit er den Feierabend nicht verschläfe. Was soll man sich mit derlei Banalitäten abgeben. Man könnte vielleicht die Geschichte mit verschiedenen Varianten fortsetzen, einfach um einmal zu sehen, was aus dem so blassen und unscheinbaren Dasein des Herrn Brösemeier alles werden kann? Im übrigen soll man sich nicht durch den ersten Eindruck täuschen lassen. Der Mensch steckt voller Überraschungen. So auch Herr Brösemeier. Auch, wenn er selbst einen solchen Verdacht weit von sich weisen würde.

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